Kennt ihr den Bregenzerwald?
Es ist kein Wald im klassischen Sinn, deshalb wird das Wort Wald auch nicht separat und groß geschrieben. Der Bregenzerwald ist eine Region, eine Kulturlandschaft, im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Ein kleiner und sehr besonderer Landstrich! Wir lieben den Bregenzerwald und haben das Glück, dass wir mehrmals im Jahr beruflich in der Umgebung sind. So lässt sich das berufliche mit einem Kurzurlaub verbinden.
Ein Paradies der Baukultur
Für uns als Architektin und Handwerker, die noch dazu gerne gut essen gehen und die Natur genießen ist der Bregenzerwald ein echtes Paradies. Alle unsere Leidenschaften und Sinne werden hier angesprochen. Vor allem unser Architektenherz hüpft hier hoch. Die Baukultur hat dort einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Es gilt als eher normal, sich sein Haus oder ein Gebäude von einem Architekturbüro planen zu lassen.
Architekten, Bauherren und Handwerker agieren hier auf Augenhöhe. Das Miteinander und das Vertrauen in die Expertise des Gegenüber wird groß geschrieben. Man weiß hier um den Wert gut geplanter und exzellent ausgeführter Bauwerke. Die Vielzahl beispielhafter Gebäude lässt vor allem deutsche Architektinnen und Architekten oftmals staunend und inspiriert zurück.
Drei Kapellen und ein Restaurant
Heute nehmen wir Euch mit auf einen Kurztrip zu drei Kapellen und in ein ungewöhnliches Restaurant. Viel Spaß!
Das Bild oben zeigt den Ortgang der Bergkapelle Alpe Niedere auf dem Hochplateau Sonderdach. Ein magischer Ort. Von hier schweift der Blick bis zum fernen Bodensee und in den Vorderen Bregenzerwald. Ein wunderschöner Ausblick. Bei thermisch guten Wetterbedingungen starten von hier zahlreiche Gleitschirmflieger. Jedesmal denken wir, sollen wir uns nicht auch mal trauen und einen Tandemflug machen?! Man verweilt also gerne ein bisschen länger, genießt das Panorama und schaut den schwerelosen Fliegern hinterher. Oder hält kurz in der Kapelle inne. Spricht ein kurzes Gebet oder schickt seine Gedanken in das Universum.
Die Kapelle wurde von CukrowiczNachbaur Architekten aus Bregenz geplant. Reduziert auf drei Materialien: Steine aus dem direkten Umfeld bilden das Fundament auf denen dann in Holz weitergebaut wurde. Ausschließlich in Holz. Das dritte Material ist Licht. Seitlich fällt durch einen umlaufenden Spalt etwas Licht in den hölzernen Innenraum verleiht ihm eine besondere Stimmung. Das Holz außen ist mittlerweile silbergrau verwittert und bildet sowohl im Sommer als auch im Winter einen schönen Kontrast zu den umgebenden saftig grünen Wiesen oder dem weißen, fast immer unberührten Schnee.
Die Kapelle Salgenreute in Krumbach ruht auf einem kleinen Höhenrücken. Das steile Dach ragt weithin sichtbar aus der Wiese auf. Die alte, privat errichtete Lourdes-Kapelle war baufällig geworden und musste abgerissen werden. Architekt Bernardo Bader kommt aus der kleinen Ortschaft und entwarf mit seinem Team eine neue Kapelle. Mit vielen freiwilligen aus dem Dorf wurde die Kapelle gebaut.
Auch hier wurde mit heimischen Hölzern und Materialien aus der Umgebung gearbeitet. Das Dach und die Außenwände sind mit Lärchenschindeln verkleidet. Der Innenraum ist schlicht und in Lärche und Weisstanne ausgeführt. Die Holzverschalung im Altarraum wurde weiß lasiert und hebt sich dadurch ab. Ein großes Fenster lässt viel Licht in den Innenraum fallen und ermöglicht einen Ausblick in die Landschaft. Ohne großes Schmuckwerk und Verzierungen entsteht eine ruhige, andächtige Stimmung. Weniger ist oft mehr.
Man genießt die Ruhe, die Lichtstimmung und den Holzduft. Es bietet sich an, von Krumbach aus hierher zu wandern. Auf dem Weg liegen besondere Bushaltestellen, zu denen wir Euch in einem anderen Blogbeitrag mitnehmen werden. Weiter führt euch der Weg in eine einzigartige Moorlandschaft. Auch hier steht ein Bauwerk aus Holz, das zum Verweilen einlädt. Der Moorraum. Ebenfalls von Architekt Bernardo Bader geplant. Viel Spaß beim Wandern und Erkunden!
Die Kapelle am Wirmboden befindet sich im sogenannten Hinteren Bregenzerwald. Oberhalb des kleinen Örtchens Schnepfau liegt das Vorsäß Wirmboden. Was ist ein Vorsäß? So wird eine einfache Behausung für Landwirte und Vieh im alpinen Gelände genannt. Auf den Wiesen im Tal ist meist nicht genügend Gras vorhanden. Entlang des Wegs zu den höher gelegenen Almwiesen gibt es Ställe und einfache Hütten, in die die Senner mit ihrem Vieh ziehen können. Hier wächst frisches, saftiges Gras. Wenn auch dieses abgegrast ist, geht es höher auf die Alm. Auf dem Rückweg wird auf dem Vorsäß wieder eine Futterpause eingelegt.
Unterhalb der gewaltigen Kanisfluh liegt der Wirmboden. Die Gemeinschaft der Bauern errichtete hier ein Kapelle, um den verstorbenen Familienmitgliedern zu gedenken. Durch einen Lawinenabgang wurde die alte Kapelle weggerissen. Alle wünschten sich eine neue Kapelle. Die Bezauer Architekten Sven Matt und Markus Innauer wurden mit dem Entwurf beauftragt. Sie entschlossen sich, das Gebäude zu betonieren und in den Beton kleine und große Natursteine einzulegen. Bei einigen Steinen hat man das Gefühl, die Form eines Tieres oder Fabelwesens zu erkennen. Das Bauwerk wurde von der Gemeinschaft des Vorsäß und den Architekten zusammen errichtet.
Der Dachstuhl besteht aus Weißtanne und nach außen wurde das Dach geschindelt. Im Bereich des First befindet sich ein Lichtschlitz, in dessen Verlängerung sich ein weiterer Schlitz in der Außenwand befindet. Auch hier entsteht eine besondere Stimmung. Der archaische Innenraum ermöglicht Kontemplation: Wenn sich die Tür hinter einem schließt, vergisst man das Drumherum und findet einen Augenblick der Ruhe.
Alle drei Kapellen sind total unterschiedlich in ihrer Architektur, Materialität und Bauweise. Was sie verbindet, ist die besondere Atmosphäre der Innenräume. Beeindruckend für uns ist die Tatsache, dass diese mit einfachen, nahezu minimalistischen Mitteln erreicht wurde: mit Materialen aus der Region und mit vereinten Kräften von freiwilligen Helfern und den Gemeinschaften. Drei einzigartige baukulturelle Projekte, die den gemeinsamen Weg von Bauherren, Architekten, Fachplanern und Handwerkern zeigen. Davon können alle "am Bau" beteiligten Personen lernen.
Immer wieder sonntags
Die viele frische Luft und das Wandern machen hungrig. Haben Sie Lust, uns ins Restaurant Adler in Grossdorf zu begleiten? Wir haben schon einen Tisch reserviert.
Irma Renner und ihr Team öffnen das alte Gasthaus nur sonntags. Jeden Sonntag steht das mehrgängige Menü unter einem anderen Motto. Mal verwandelt sich der Adler in eine italienische Trattoria, mal in ein bretonisches Bistrot oder begeistert Sie mit thailändischem Streetfood. Wieder ein anderes mal gibt es Sylter Krabben. Koch Jodok Dietrich zaubert die verschiedenen Landesküchen in hervorragender Qualität auf die Teller. Manchmal reisen Gastköchinnen und Köche aus der Toskana, Galizien und Norddeutschland an und bringen ihre Spezialitäten mit.
Eine großartige Erfahrung – vielen Dank Irma für dieses mutige Konzept. Wir kommen jedes mal gerne zu Euch in die Adlerstuben und lassen uns kulinarisch überraschen. Bis bald!
In einem der nächsten Blogbeiträge berichten wir von Schwänen, Bären und fahren mit dem Landbus. Wenn Sie weitere Tipps zu Restaurants, Hotels, Museen oder Gebäuden möchten, dürfen Sie sich gerne melden.
Und weil das Dessert so lecker war... ;- )